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zur Navigation Inhalt überspringen Bergwandern in Innichen / Südtirol - 2002

In Linz, wo wir herkommen, verhindert oft eine Dunstglocke den Blick zu den Sternen. Schon auf der Fahrt durchs Drautal wurde uns klar, dass man hier in Innichen die Sterne nicht nur besser sehen, sondern vermutlich sogar berühren kann. Nicht zuletzt deshalb, um nach dem Mond zu angeln, hatten wir auch eine Fischerstange eingepackt.

In unserem neuen Domizil angekommen, folgte die zweite Überraschung: Menschen, die von überall herkommen und einander ein Jahr lang nicht gesehen hatten, können als Gruppe pünktlich sein. Was für strahlende Vorzeichen! Und wir beide wurden in Empfang genommen wie alte Bekannte und nicht wie zwei, die angesichts der Aufgabe, die auf sie wartete, noch ganz grün hinter den Ohren waren. Dank unserer großartigen Lehrmeister - Judith, Ilse, Ursula, Theresia, Willi, Lutz und Günter, alle blind oder sehbehindert - wurde uns diese aber nicht schwer gemacht.

Tagtäglich holten uns die behutsamen Klänge aus Günters Mundharmonika unter den Tuchenten hervor. Ausgestattet mit aufmunternden Worten und dicken Jausenpaketen unserer Herbergseltern zogen wir aus, die Bergwelt zu erobern. Der mutige Kurt hatte tatsächlich ein Murmeltier gefangen (wenn auch ausgestopft in der Hütte ...), die noch viel verwegenere Judith F. eine kapitale Forelle (diese quicklebendig in der Rienz schwimmend!) - beide wurden mit Augen und Händen ausgiebig bestaunt. Am Gipfel stets einen Moment innehaltend, versammelten wir uns schließlich zu einem gemeinsamen Lied, das uns mehr Stärke verlieh als ein ganzes Fass voller Energy-drinks. Unsere Zuversicht, meist größer als die der Wettervorhersage, war durch nichts zu trüben: nicht einmal das grimmige Gewitter mit seinen stechenden Hagelkörnern vermochte die Moral der unterhalb des Gipfels kauernden Gruppe zu zerstäuben. Wir waren einfach unbesiegbar! Darob vergaß Erich sogar auf seine Höhenangst und Judith auf ihre stattlichen Blasen an den Fersen.

Und wie schön und bezeichnend für das Miteinander dieser Woche klingen die Schlussworte, mit denen sich eine Blinde von uns verabschiedete: "Wir sehen uns dann in München ...!"

Erich und Judith, sehend