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Quelle: Zeitungsartikel des "Thüringer Tageblatt" (Lokales "Zella-Mehlis") vom Samstag, 7. August 1993:

»Blindenfreizeit«
auf Schusters Rappen

Blinde und Sehbehinderte erkunden eine Woche den Thüringer Wald

    Zella-Mehlis (bhi). Seit Jahrhunderten zieht es Wanderer aus aller Welt in den Thüringer Wald. Schon der bekannte Dichter Martin Andersen Nexö schrieb einmal: "Der Thüringer Wald ist der schönste auf dieser Welt." Doch genießen nicht nur sehende Wandersleut' die Schönheit des Waldes. Auch Sehbehinderte und Erblindete zieht es immer wieder auf die Höh'. Zum ersten Mal sind auch zwölf Blinde aus der Schweiz, Österreich und Deutschland zu einer Wanderwoche nach Zella-Mehlis gekommen, um von der Jugendherberge aus die Höhen des Rennsteigs zu erkunden.

    Mitte der 60er Jahre [Anfang der 70er-Jahre; Korrektur der Heft-Redaktion] organisierte ein Linzer Pater erstmals ein Begegnungs- und Wandertreffen für Blinde und Sehbehinderte. Doch dabei blieb es nicht. Im Laufe der Jahre entwickelte sich aus dem Wandertreffen eine Begegnungs- und Wanderwoche. Heute bietet das [Referat für; Ergänzung der Heft-Redaktion] Behindertenpastoral in Linz mehr als zehn "Blindenfreizeiten" an. "Das angebotene Programm ist sehr vielschichtig. Für jeden ist etwas dabei", erklärte die blinde Maria Müller aus Eppstein / Taunus in einem Gespräch mit der Heimatzeitung. Und weiter betonte sie: "Die Blindenfreizeiten des Linzer Pastorals sind eine der wenigen, gelungenen Integrationsprojekte für Blinde und Sehbehinderte." Sehende und Blinde würden hier gleichbehandelt.

    Seit einer Woche sind die zwölf Blinden mit ihren dreizehn Begleitern in der Zella-Mehliser Jugendherberge untergebracht. "Von hier aus wollen wir den Rennsteig mit all seinen Schönheiten erkunden. Auch, wenn die meisten von uns nichts sehen können, so haben wir doch immer noch die Möglichkeit zu hören, fühlen und zu riechen."

    Geführt von ihren Begleitern sind die Blinden täglich auf Schusters Rappen unterwegs. Tagesausflüge von 20 Kilometern sind dabei keine Seltenheit. Begeistert zeigten sich die Blinden von der Aufgeschlossenheit der Thüringer ihrer Behinderung gegenüber. "Während eines Ausfluges zum Rennsteig kamen wir an der Gesenkschmiede im Zella-Mehliser Lubenbachtal vorbei. Dort erläuterte uns der Museumsleiter alle Details der Anlage. Wir durften alles anfassen. So konnten wir uns ein Bild über die alte Schmiede machen. Natürlich holten wir uns dabei auch schon mal schwarze Finger", sagte Erna Heimpel aus [Eppelheim bei] Heidelberg. "Man nimmt uns hier so auf, wie wir sind", ergänzte Maria Müller.
     Auf die Frage, wie die Blinden als Reiseziel gerade auf das neue Bundesland Thüringen gekommen seien, antwortete die 70jährige Rosa Becker: "Der Thüringer Wald hat uns schon seit langem interessiert. Außerdem waren wir auf die Menschen neugierig."

    Für die Organisation der Reise zeichnete sich die Suhler Familie Wunderlich verantwortlich. Deren Sohn Thomas hatte bereits vor zwei Jahren eine "Blindenfreizeit" miterlebt. "Damals kam ich auf die Idee, auch eine Reise für Thüringen anzubieten. Meine Familie hat dabei sofort unterstützt. Und sie verließen sich nur auf meine Schilderungen und Erlebnisse, die ich während des letzten Urlaubes mit den Blinden hatte", erzählte Thomas Wunderlich.

    Mit Hilfe seines Vaters Johannes organisierten sie die Unterkunft in der Zella-Mehliser Jugendherberge. Auch für die Wanderungen zeigten sich die Wunderlichs verantwortlich. Ein Höhepunkt der einwöchigen Thüringen-Wandertour war der Thüringer Heimatabend Ende der Woche in der Herberge. Für Stimmung sorgten dabei nicht nur die Zella-Mehliser Hirtenbläser.

    Überhaupt zeigten sich die 27 Wanderfreunde begeistert von der Zella-Mehliser Unterkunft. "Vor allem Herbergsvater 'Karli' kümmert sich liebevoll um uns. Er ist einfach fantastisch. Von früh bis spät in die Nacht ist er für uns da." Darin sind sich die Wandersleut' einig.


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Die Hirtenbläser des Zella-Mehliser Heimatmuseums sorgten während des Thüringer Heimatabends in der Jugendherberge für Stimmung. Mit alten Instrumenten und Texten in Thüringer Mundart brachten sie den Gästen Sitten und Bräuche der Heimat näher.
Foto: Björn Heilgeist