Berg- und Wanderwoche in Imst, 9. bis 16. Juli 1994
Mit dieser
Woche war ich das zweite Mal bei einer Bergwoche dabei. Bei der Abfahrt von zu
Hause fragte ich mich, ob diese wohl auch so bereichernd sein würde wie die
erste in Innichen. Schon im Zug trafen sich einige Teilnehmer der Woche - so bot die lange Zugfahrt die erste Gelegenheit zum Kennenlernen. In Imst angekommen, begrüßten uns Christl und Karl mit so einer Herzlichkeit, dass man sich gleich wohlfühlte. Nachdem alle in der Unterkunft angekommen waren, trafen wir uns alle zum ersten Vorstellen und zum Kennenlernen - 45 Namen waren zu merken! Für mich war das eine große Schwierigkeit, ich brauchte dafür fast die ganze Woche! Die blinden Teilnehmer kannten die Stimmen der Sehenden hingegen schon ziemlich bald!Von Anfang an spürte man in unserer bunt zusammengewürfelten Gruppe von Menschen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz ein Gemeinschaftsgefühl! Wir passten zueinander, so verschieden wir auch waren! Es war uns deshalb auch möglich, dass wir jeden Tag eine Wander- und eine Berggruppe bilden konnten, damit jeder Streckenwunsch erfüllt werden konnte. Jeder Tag wurde somit für jeden zu einem besonderen Erlebnis.Ob man bis zur Alm ging oder auf den Gipfel - sobald sich die Gruppe am Ziel zusammengefunden hat, nahmen sich alle bei den Händen, sangen gemeinsam ein Lied und wünschten einander ein freudiges Berg Heil! Auch die "Ziachorgel" (Ziehharmonika) wurde fast immer mitgetragen. Am Gipfel, auf der Alm oder beim Abstieg wurde sie ausgepackt und Evelin spielte uns ein Lied auf, in das alle fröhlich einstimmten. Beim gemeinsamen Jausnen wurden wir von netten Spendern auf Studentenfutter eingeladen und Karl Seidl verwöhnte uns mit seinen selbsterfundenen und selbstgebackenen Bergsteigerkugeln, die lecker nach Nüssen, Zimt und Schokolade schmeckten. In der Mitte der Woche besuchte uns Pater Wilfried. Gemeinsam mit ihm bestieg die Berggruppe den Pirchkogel (2.825 m) und beim Zurückgehen trafen wir auf die Wandergruppe, um bei einem kleinen Almsee mitten in den Bergen gemeinsam Messe zu feiern. In ihrer Einfachheit, der bemooste Almboden war unser Altar, war diese Messe ein ganz wertvolles Geschenk für uns! |
Spät nachmittags kamen wir von unseren
weiten Ausflügen zurück, erfrischten uns unter der Dusche, um uns beim
Abendessen mit einer warmen Mahlzeit zu stärken. Meistens ging's am Abend noch zum Eisessen ins Kristall oder auf ein Schleckeis zum Eisstand, was wir uns nach den langen "Märschen" wirklich mit Genuss gegönnt haben. Kleinere und größere Gruppen von Blinden und Sehenden spazierten abends noch durch die Stadt - wir konnten nicht genug bekommen vom Gehen und Bewegen. So unermüdlich unsere Gruppe war, so war es auch das Selbstverständlichste, dass die einen nichts sahen und die anderen schon. Auf den Bergen schilderten wir Sehende den Nichtsehenden die imposante Umgebung, zeigten ihnen die Bergblumen zum Betasten und zum Riechen und versuchten ihnen die riesigen Dimensionen der traumhaften Ötztaler, Pitztaler und Lechtaler Alpen begreifbar zu machen. Andererseits beschrieb mir ein Blinder, wie er die Sonnenstrahlen spürt, wenn die Sonne nicht zu sehen ist.Durch die vielen schönen Erlebnisse und durch die netten Menschen ist mir wieder bewusst geworden, und ich denke auch allen anderen, dass man nur mit dem Herzen gut sieht, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Wir haben es selbst erlebt und erfahren wie wertvoll das sein kann. Felicitas Gruber, Spital / Semmering
(sehend) |