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Quelle: Artikel aus dem Pfarrblatt der römisch-katholischen Pfarrgemeinde "Am Schüttel", 1020 Wien, 46. Jahrgang, Nr. 6 - November/Dezember 2000, Seiten 8 und 9, umgewandelt von Archiv-fremde Internet-Seite in neuem FensterPDF-Dokumentwww.bbi.asn-wien.ac.at/schuettel/PfBl200006.pdf
8     die eine Seite des Ehrenamts pfarrblatt 6/2000

"Mit dem Herzen und den Sinnen sehen"

Seit Jahren betreut Ilse Petermann im Rahmen freiwilliger Sozialeinsätze Blinde.

Ich will heute auf dich
zugehen
dich mit all meinen Sinnen
wahrnehmen,
dich begleiten, dir helfen,
wo du Hilfe brauchst,
zurückstehen,
wenn du Raum brauchst,
zuhören,
wenn du etwas sagen willst,
zusehen,
wenn du mir etwas
zeigen willst.
Ich will so auf dich
zukommen,
dass du DU sein kannst,
dass unser Zusammensein
wirkt, bewirkt, belebt.

(Sehender Betreuer an Blinden)

Bildformat JPEGFoto: Bergwoche in Südtirol: Sehender Begleiter führt Blinde.
Bergwoche in Südtirol: Sehender Begleiter führt Blinde.größeres Vollbild anzeigen

Bildformat JPEGFoto: Tandemgruppe in Mondsee
Tandemgruppe in Mondseegrößeres Vollbild anzeigen

    "Stell Dir vor, das Licht geht aus - was würdest Du tun?" - Wahrscheinlich sofort eine Taschenlampe oder eine Kerze suchen, denn Dunkelheit macht Angst. Wir können dann wieder sehen und uns orientieren, doch es gibt Menschen, die können das nicht! Doch etwas, was jeder tun kann, ist das Augenlicht für einen anderen sein, der nicht sehen kann.

 

    Vor vielen Jahren wurde ich durch die Broschüre "Freiwillige Sozialeinsätze" der Diözese Linz auf diese Aufgaben aufmerksam. Bei diesen Sozialeinsätzen gibt es eine Vielfalt von Hilfsdiensten. Ich habe zum Beispiel geistig- und körperbehinderte Kinder und Erwachsene in einem Sommerlager betreut, dann war ich einige Wochen Betreuerin an einer Therapiestation für Stotternde in Vorarlberg bzw. stellte mich drei Wochen auf einem Bergbauernhof als Haushaltshilfe und für die Heuernte zur Verfügung. Ich habe dabei wunderbare Erfahrungen gemacht. Doch nun ist mein "Herz" an der Blindenbetreuung hängen geblieben (Bergwochen, Tandem-Ausflüge, Langlaufwochen usw.).

 

    Bei einer Familienwoche hat mich einmal tief beeindruckt, dass zwei völlig Blinde für zwei kleine sehende Kinder von zwei und vier Jahren als Eltern sorgen konnten. Das zweijährige Kind hatte kleine Glöckchen an den Schuhen, damit die Mutter aufmerksam die Bewegungen des Kindes mitverfolgen konnte. In diesen Fällen sind Sehbehinderte sehr dankbar für die Begleitung von sehenden Freunden oder Nachbarn, die sie bei Behördenwegen, beim Einkaufen oder bei einem Arztbesuch unterstützen.


    Die Nichtsehenden, die ich im Laufe der Jahre kennengelernt habe, sind seit ihrer Geburt nichtsehend oder sie wurden als Erwachsene durch einen Autounfall, Arbeitsunfall oder durch eine späte Erbkrankheit blind und doch meistern fast alle Blinden ihr Leben bewundernswert.
    Günther zum Beispiel, hat als Mechanikerlehrling bei Schweißarbeiten sein Augenlicht verloren. Er hat sich seine Lebensfreude nicht nehmen lassen, sondern im Fernstudium die Matura nachgeholt, hat danach studiert und bis zu seinem 60. Lebensjahr war er in leitender Position bei einer sehr großen Stahlfirma. Günther hat eine sehende Frau, mit der er bis heute die Welt bereist und beide sind Mitglieder einer Turniertanzgruppe.
    Bei Günter ist es auch so, dass es ihm nicht genügt, wenn man ihm erzählt, dass man gerade an einem Baum vorbeigeht. Günter möchte immer alles ganz genau wissen: die Holzart, den Umfang des Stammes, Blätter... Diese Informationen speichert er dann für sich und hat damit bei späteren Erzählungen eine spontane Vorstellungskraft.

 

    Ein wesentlicher Teil der Blindenfreizeitwochen ist natürlich auch der Spaß am Miteinander, Humor, die Musik und der Tanz.
    Gerne möchte ich noch erwähnen, dass wir freiwillige Sozialhelfer kein Entgelt für unsere Aufgaben erhalten. Ich finde, es ist eine wunderbare Aufgabe, dieser Gemeinschaft der Blinden und Sehbehinderten einen Teil ihres Lebens zu erleichtern, in dem wir sie als Sehende einfach mit unserem Augenlicht, unserer herzlichen Betreuung und unserer eigenen Lebensfreude beschenken.
    All diese Erfahrungen machen auch sensibel für das Schöne und oft selbstverständliche im Leben: Ist die herrliche Farbenpracht der Schmetterlinge nicht großartig? Bestaunen wir nicht Jahr für Jahr zu Silvester das bunte, oft gigantische Feuerwerk am Himmel? All diese Eindrücke kann sich ein blinder Mensch nur erzählen lassen. Werden wir unserer Sinne und Wahrnehmungen doch bewusster - ein entscheidender Augenblick kann alles verändern.

Ilse PETERMANN

 

Ilse Petermann ist Weinviertlerin, die schon viele Jahre Am Schüttel wohnt, hauptberuflich die vielseitige Büroarbeit in einem Architekturbüro erledigt und auch lange Zeit im Leitungsteam der "Landjugend in Wien" mitgewirkt hat.

Haben Sie Lust bekommen, es Ilse Petermann gleichzutun? Nähere Information zu den Sozialeinsätzen gibt es bei folgenden Adressen:

  • Freiwillige Sommereinsätze:
    Diözese Linz
    Abteilung Freiwillige Sommereinsätze
    Kapuzinerstrasse 84
    A - 4020 Linz
    Telefon (Österreich): 0732/7610/3910
  • Blindenfreizeiten:
    Pater Lutz
    Postfach 183,
    A - 6460 Imst

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