Bergwoche Liechtenstein - 3. bis 10. August 1985
Das ist das Fazit unserer Bergwoche in Liechtenstein - 24 Teilnehmer (Jugendliche, und die sich als solche fühlen) trafen sich in Feldkirch. Ein Bus brachte uns von dort in unsere Hütte. Während uns der Schlüssel überreicht wurde, stand Petrus am Himmelstor Salut und schickte uns zur Begrüßung "Böllerschüsse".Matratze an Matratze bezogen wir unser Lager. Einfach, aber gemütlich!
Sonntag Vormittag feierten wir gemeinsam Eucharistie. Die erste Tour führte uns am Nachmittag hoch zur Kirchlspitze (1997 m) über die Pradamealm. Einige unserer ganz Eifrigen wanderten noch ein Stück weiter, während die übrigen zurückgingen. Bei dieser Tour bestaunten manche den gelben Enzian mit seinem hohen, kräftigen Stengel. Die Blätter waren weit geöffnet. Auch lernten wir Arnika und Silbermantel kennen. Die Nichtsehenden erfreuten sich am Pfeifen der Murmeltiere. P. Wilfrieds Jodler kamen als Echo zurück und ließen uns Entfernung und Größe der Felsen ahnen. - Als die ersten zur Hütte kamen, stellten sie fest, daß der Schlüssel bei den letzten war. Kein Problem! Wozu gibt es denn offene Fenster?!
Die Montagstour führte alle auf das Sareiserjoch (2000 m). Wir besuchten auch die am Weg liegende Friedenskapelle. Eine Inschrift besagt, daß diese Kapelle aus Dankbarkeit für die Verschonung Liechtensteins im 2. Weltkrieg von den Bürgern mit Unterstützung des Fürstenhauses erbaut wurde. Ihre kirchliche Weihe empfing sie durch den Bischof von Chur 1954. Nach besinnlichen Minuten am Gipfelkreuz und einer gut schmeckenden Jause traten die einen den Rückweg an, während der Rest eine Gratwanderung zum Augstenberg (2358 m) unternahm. Ehe sie sich versahen, waren sie mitten unter den Schafen, die in Wind und Kälte da oben aushielten. Stefan, der den starken Wind nie ernst nahm, wurde als erster von einer Böe zur Erde gestreckt.Dienstag: Schnürlregen, aber keine Langeweile! Eine gute Gelegenheit, Schach spielen zu lernen. Zur Geisterstunde wurden dann ungeahnte Kräfte frei. Schwester Bertholda, der wir den Schlaf raubten, rächte sich mit Papierknödeln, die sie auf uns niederregnen ließ. So prasselte es nicht nur draußen, sondern auch drinnen. Doch die Tropfen wurden größer und größer. Dabei wurde festgestellt, daß Decken nicht nur zum Schlafen taugen.
Am Mittwoch spitzten wir die Ohren, um etwas über Land und Leute von Liechtenstein zu erfahren. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß wir am Montag abends hohen Besuch hatten. Oskar Mündle (blind und fast taub), durch dessen Vermittlung wir die Hütte bekamen, weilte unter uns. Begleitet wurde er von Seiner Durchlaucht, Prinz Emanuel von Liechtenstein. Sehr angenehm fiel es auf, wie natürlich und leutselig sich der Fürst gab. Er schüttelte jedem von uns herzlich die Hand. Ein herzliches Dankeschön den Gästen fürs Kommen und für Ihre Unterstützung, daß wir diesen Platz in den Bergen erhalten haben.
Donnerstags teilten wir uns in zwei Gruppen. Die einen gingen zur "Pfälzer Hütte", die anderen durch das Valünatal. Durch den Kälteeinbruch am Dienstag waren die Berge weiß. Einige, die bei der Gruppe zur Pfälzer Hütte dabei waren, erlebten erstmals mitten im Sommer eine Schneewanderung. Josef hörte zum ersten Mal, wie ein Schneebrett ins Tal ging. Der gelbe Enzian hatte sich der Witterung angepaßt und seine Blätter geschlossen.
Die Abschlußtour führte uns am Freitag in zwei Gruppen zum Schönberg (2104 m). Von der Spitze dieses Berges hat man bei guter Witterung einen sehr schönen Rundblick. Nicht nur das Fürstentum Liechtenstein kann man übersehen, sondern auch nach Österreich, Schweiz, Deutschland, ja sogar bis nach Italien hinein. Einige gingen über den sehr gut gepflegten Kapuzinersteig zu Tal. Übrigens: Nicht nur der Kapuzinersteig, sondern alle Wege, die wir in dieser Woche begingen, waren in sehr gutem Zustand und optimal markiert. Dank und Anerkennung allen hierfür Verantwortlichen!
Abends feierten wir unseren Abschiedsgottesdienst. Er war geprägt von Dankbarkeit und Freude gegen Gott für die gute Gemeinschaft, die herrlichen Naturerlebnisse und all die schönen Stunden während der Woche. An den Abenden wurde viel gesungen und gelacht. Unser Franz spielte unermüdlich auf seiner Zither. Auch Therry und Alois spielten zur Freude aller auf ihren Instrumenten. Das Essen wurde von Schwester Bertholda mit Unterstützung von Lia stets liebevoll und schmackhaft zubereitet. Vier von uns ließen sich auf ihrer Nachtwanderung von Kühen der Pradamealm küssen. Das bedeutet aber nicht, daß es an Herzlichkeit unter den Kameraden gefehlt hätte. Ganz im Gegenteil! Stefan und Christof empfanden zum ersten Mal in ihrem Leben echte, tiefe Gemeinschaft. Dafür sagen sie ein herzliches Dankeschön den Bergkameraden.
Ein paar eifrige wollten ihre Bergfreizeit mit dem Erlebnis eines Sonnenaufgangs in den Bergen abschließen. Die Sonne stellte sie auf eine harte Probe. Nach eineinhalb Stunden hatte sie ein Einsehen.Positiv muß noch vermerkt werden, daß sich wiederum genügend sehende Bergfreunde als Führer zur Verfügung gestellt haben. Dies ist keineswegs selbstverständlich. Sie stellen nicht nur ihre Hilfsbereitschaft und Freizeit in den Dienst behinderter Menschen, sondern übernehmen auch die gleichen Kostenanteile wie die Nichtsehenden. Stefan und Christof spielen mit dem Gedanken, zwecks Integration Blinder und Sehender sich im nächsten Jahr, falls nötig, für die Bergwanderfreizeit vom Schulunterricht beurlauben zu lassen.
Es ist sicher richtig, festzustellen, daß jeder Blinde die Berge auf seine Art erlebt. Für Josef beispielsweise ist es eine Art glücklicher Zustand. Beim Erklimmen der Berge, beim Hören der Vogel- und Tierlaute und beim Abfühlen der Pflanzen empfindet er Gottes Atem in seinen Geschöpfen und in der Natur ganz allgemein. Bei Therry kommt das Glück so tief aus dem Herzen, daß sie ihre Freude mit der einstigen Auferstehung in Verbindung brachte. Dem ist nichts hinzuzufügen!
Ein herzliches Vergelt's Gott allen für die geschenkte Freude!
Christof, Stefan und Josef Müller
(blind) BRD