Wanderwoche mit Yoga und Vollwertkost in St. Ägyd - 4. bis 12. Juli 1987
"Diese Wanderwoche in St. Ägyd am Neuwald wird mir bestimmt noch lang in Erinnerung bleiben!", vermerkte Monika Machhart begeistert am Schluß ihres Tonband-Tagesbuches, das sie fein säuberlich während dieser zweiten Wanderwoche des Blindenapostolates St. Pölten angefertigt hatte. Das niederösterreichische Voralpengebiet hatte man sich Anfang Juli zum Ziel gewählt und die den meisten Teilnehmern bisher eher unbekannte Gegend auf der Strecke nach Mariazell hat die 13 blinden oder stark sehbehinderten Teilnehmer und ihre Begleiter wahrlich nicht enttäuscht. Wunderschöne Wanderungen durch wiesen- und waldreiche Täler, aber auch Bergwanderungen, etwa auf den Göller (1912 m) beschrieb Monika Machhart in ihrem Tagebuch - ebenso den Fußweg durch die Walster nach Mariazell oder den herzlichen Empfang bei einer Bäuerin in der Nähe von St. Ägyd, die für alle Teilnehmer an der Wanderwoche ein Lebzeltherz mit Namenswidmung vorbereitet hatte. Herbert und Rosina Schwingenschlögl sorgten als Kursbetreuer abwechselnd für die touristische und Yoga-entspannende Programmgestaltung, sowie für den Speisezettel. "Vollwert-Woche" stand nämlich ganz deutlich als Untertitel bei diesem Blindenfreizeit-Angebot. Manche mögen anfangs deshalb vielleicht etwas skeptisch gewesen sein. Daß sich nicht alle ganz leicht zur Teilnahme entschließen konnten, letzlich aber doch hochzufrieden nachhause fuhren, dafür steht der Bericht von Christl Kahlert, den sie beim Schlußabend im Jugendhaus St. Michael, das eine Woche lang als romantisches Quartier gedient hatte, zum besten gab:(Heinz Kellner)
Greenhorn auf einer Wanderwoche
Da saßen sie zur Abendstund'
Mutter, ich und Gummihund,
berieten, was wir im Urlaub machen,
ich glaub', mir war dabei gar nicht zum Lachen.
Es gibt, meint Gummi, in dieser Epoche
eine Yoga-, Wander-Vollwertwoche.
Das ist zuviel und ich schrei' laut:
"Da fahr ich sicher aus der Haut."
Glaubt ihr denn, daß ich wär' ganz dumm,
da bringt mich doch der Hunger um.
Jeden Tag nur Körner und Salat
zur Abwechslung Zucchini und Spinat.
sie meint: "Du bist ja doch zu dick.
Gesunde Kost würde dir nicht schaden,
dann darfst du auch wieder im Bikini baden".
Ich füg mich drein, beug' mich der Gewalt,
doch vor meinen Augen entsteht die Gestalt
eines Pferds, das Hafer und Hirse frißt,
ob das meines Urlaubs Schicksal ist?
Und der Tag kommt, ich kann nicht entrinnen,
jetzt werd' ich wohl zu fasten beginnen.
Am ersten Abend gab's Karfiol,
o Gott, was das noch werden soll!
Am nächsten Tag heißt's Frühstück um sieben,
ach, wo sind meine Illusionen geblieben,
schlafen bis neun, ein großes Steak.
Nein, da bin ich wirklich auf dem falschen Weg.
Am Sonntag Lasagne, die war ein Gedicht,
und auch die Vegetarische verschmähte ich nicht.
und meine Vorurteile beginnen zu wanken.
Als der Michl, der Krautstrudl mit Genuß verzehrt,
da bin ich völlig am Boden zerstört.
Das Pferd meines Vorurteils zum Trugbild entschwindet,
dafür sich allabendlich mein Hunger verkündet.
Was ist, so frag' ich mich verzweiflungsvoll
mit meinen Kilos, die ich 'runterhungern soll?
Rosina, Rosina, dir muß ich es klagen,
ich halt mich jetzt fern von allen Waagen,
denn durch Semmeln, Gulaschsuppe und Bananenschnitten,
sind alle Vorsätze ins Nichts entglitten.
Bei Waldmeisterbowle, da frage ich Sie,
wo ist die Abstinenz in der Biologie?
Für geistliche Nahrung sorgt unser Heinz,
das rundet das Bild des Zufriedenseins.
Herbert hat uns beim Wandern betreut,
manchmal ganz ordentlich, doch bleibt die Hoffnung heut,
daß wenigstens dadurch in dieser Frist
ein halbes Kilo verschwunden ist.
Doch rund und gesund - es hat sehr gut geschmeckt,
und Greenhorn hat die Vollwertkost entdeckt.
So bleibt mir nur noch an dieser Stelle
den Dank zu sagen für alles Erleben.
Veranstalter, Teilnehmer alle sollen hoch leben,
bei Wandern, Yoga und Vollwertkost,
bei Waldmeisterbowle - na denn "Prost"!
Christl Kahlert, Wien (blind)