Familienwoche auf der Wurzeralm vom 16. bis 21. August 1993
Kurzerhand entschloß ich mich, an dieser Woche teilzunehmen. Es war eine wertvolle Woche, an die ich immer gern zurückdenken werde. Ich war mit meiner Tochter Michaela (2 Jahre) dabei.Aus allen Richtungen Österreichs trafen wir bei der Bergstation Wurzeralm zu einer großen Familie zusammen. Wir, das sind Familien von blinden Elternteilen und sehenden Kindern oder umgekehrt. Natürlich auch unsere sehenden Helfer mit Pater Wilfried an der Spitze.
Unser Zuhause in diesen Tagen war das Landesjugenderholungsheim. Vor dem Haus befindet sich eine weitläufige Terrasse mit Spiel- und Sportplatz, wo genügend Platz für alle zum Spielen und austoben war. Die vielen Berggipfel rings herum und die schöne Natur luden gleich am ersten Abend zu einem gemeinsamen Spaziergang ein. So gingen wir zur Sennerin auf die Alm, wo wir dann täglich unsere Milch besorgten. Am Vormittag und am Nachmittag nach dem Mittagsschläfchen der Kleinen, wurde immer eine gemütliche Wanderung angeboten. Ob zum Brunnsteinersee, in die Hölle und zum Gurgelloch, in der Natur gab es immer wieder Schönes und Interessantes zu entdecken, z.Bsp. eine knorrige Wetterfichte, Kühe, Pferde... Die Kleineren unter uns konnten die Wanderungen bequem in der Rückentrage miterleben. Den kleinen Peter mit fünf Monaten trug seine Mutter immer vorn im Snagli.Ich habe vorhin schon das Gurgelloch erwähnt. Dorthin wanderten einige von uns. Es ist dort, wo der Teidlbach im Boden verschwindet. Wilfried saß in der kleinen Felshöhle, während wir einer nach dem anderen zu ihm hineinkletterten und dem Gurgeln dieses unterirdischen Wasserfalles lauschten. Am Rückweg sagte plötzlich unsere kleine Michaela, die im November zwei Jahre wird, zu Wilfried: "Gugiloch gwen". Das hat uns so beeindruckt, daß wir am Abend beim gemeinsamen Tischgebet nocheinmal darauf zurückkamen und immer wieder sagte Michaela: "Gugiloch gwen".
Einmal bestiegen wir, noch vor Sonnenaufgang, einen Berggipfel. Wir wählten den Stubwieswipfel aus, den man in zwei Stunden vom Haus weg erreichen konnte und luden hierzu vorerst einmal alle Sehenden in der Gruppe ein. An einem Abend saßen wir am Lagerfeuer zusammen und sangen und musizierten miteinander, was in dieser Woche ohnehin nie zu kurz kam. Rene und Bernhard haben uns mit ihrer Initiative und ihrem Fleiß, dieses Lagerfeuer geschenkt. Cornelia beschenkte uns dabei mit ihrer Flötenkunst.Am letzten Tag wollten drei Blinde unter uns, die Terri, der Mario und ich ebenfalls den Stubwieswipfel erklimmen. Sepp und ein paar andere Sehende führten uns hinauf. Oben am Gipfel war plötzlich vom Tal herauf ein Jodeln zu vernehmen. Das konnte nur der Wilfried sein. Wir riefen alle miteinander kräftig zurück und wurden auch gehört. Beim Abstieg gab Terri ihren Begleiterinnen Jodelunterricht und bis wir im Tal unten ankamen, konnten diese fast so gut jodeln wie sie.
Zum Abschluß feierten wir alle gemeinsam einen Dankgottesdienst. Diese Woche hatte uns zu einer großen Familie zusammengeführt, auch wenn es jetzt abschiednehmen hieß. Wir dankten Gott für die schönen gemeinsamen Tage. Gestärkt durch die schönen Begegnungen und Erlebnisse, konnten wir mit Freude in den Alltag zurückkehren.Die Familien wünschten, daß wir so ein Angebot jedes Jahr nun erhalten. Es besteht viel Interesse dafür bei den Blinden.