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zur Navigation Inhalt überspringen (1.) Kultur- und Wanderwoche in Thüringen vom 31. Juli bis 07. August 1993

Wandern im Thüringer Wald

Wir heißen Helmut und Maria aus Villach und sind blind. Wir hatten das große Glück und durften bei der Wanderwoche in den Thüringer Wald mitmachen. Auf diese Woche freuten wir uns ganz besonders, weil wir alleine nie in unserem Leben die Möglichkeit hätten, einmal den Thüringer Wald mit seiner ganzen Schönheit kennenzulernen. Die Fahrt ging am 31. Juli von Villach aus bis München, da trafen wir mit den ersten 5 Bergkameraden, die wir alle schon von einer der 7 Wanderwochen, die wir vorher schon miterleben durften, gekannt haben. In Würzburg trafen wir mit all den anderen Kameraden zusammen und fuhren gemeinsam nach Zella-Mehlis, wo wir schon ganz lieb von Fam. Wunderlich und unserem Herbergsvater in Empfang genommen wurden. Als das Gepäck in den Autos verstaut war, ging's frohgelaunt zur Herberge. Karli, unser Herbergsvater, hat uns so lieb empfangen, und Herr Wunderlich (Johannes) und sein Sohn Thomas, haben uns gleich am ersten Abend ihre Heimat, auf die sie mit Recht sehr stolz sind, so schmackhaft gemacht, daß wir uns alle auf die Woche schon richtig freuten.

Am Sonntag vormittags, nach einem netten Wortgottesdienst und anschließender Vorstellungsrunde, ging es nach dem Mittagessen mit dem Zug nach Schmalkalden. Wir machten einen Stadtrundgang und konnten dabei die vielen schönen Bauten und die gepflegten Straßen bewundern. Nach einer Stärkung, in einem sehr netten Kaffeegarten, gingen wir zum Schloß Wilhelmsburg. Von den wunderschönen Parkanlagen und der herrlichen Blumenpracht waren wir so begeistert, sodaß nur einige das Orgelkonzert auf einer alten Holzorgel im Schloß selbst sich anhörten. Wir Übriggebliebenen konnten uns von der herrlichen Pracht nicht losreißen. Als die herrlichen Klänge des Konzertes bis zu uns raus zu hören waren, setzten wir uns ganz still auf eine Parkbank und genossen beides. Als wir abends mit dem letzten Zug wieder nach Hause kamen, empfing uns Karli schon mit einem nett gedeckten Abendbrottisch. Ich möchte an dieser Stelle Karli für seine Liebe und seine Bereitschaft, immer für uns dazusein, ob zeitig morgens oder spät abends, danken. Er machte es in einer so lieben Art, sodaß ihn gleich unsere ganze Gruppe ins Herz geschlossen hat.

Am Montag ging es durch Zella-Mehlis und dem Lubenbachtal zu einer Gesenkschmiede, die wir mit Hilfe einer netten Führung und Johannes' Hilfe, durch abtasten und ganz genauer Erklärung, erkunden durften. Da die Schmiede leider nicht mehr in Betrieb ist, mußten wir beim Ausprobieren und gründlichen Anfassen, auch nicht befürchten, uns zu verbrennen. Danach ging es über den Bahnhof Oberhof und dem Brandleiten-Tunnel (3 km) zum Pfanntalteich durch das Pfanntal zum Rondell und durften dann noch den wunderschönen Rennsteiggarten (Botanischer Hochgebirgsgarten) in seiner vollen Pracht an Alpenblumen und Gewächsen bewundern. Dabei haben uns unsere Begleiter, die uns alles so herrlich geschildert haben, sodaß wir ihn fast gesehen haben, auch noch mit frischen Heidelbeeren aus dem Alpengarten gefüttert. Unser Staunen und Wundern war perfekt. Was uns allen aufgefallen ist, daß der Garten, trotzdem er ganz natürlich angelegt war, sehr sauber und gepflegt war. Als wir uns schweren Herzens davon getrennt haben, ging's weiter ein Stück des Rennsteigs entlang und dann zurück zur Herberge über den Veilchen-Brunnen und die Dammwiese. Nach dem Abendbrot saßen wir dann alle zusammen, entweder im Speisesaal oder vorm Haus, und plauderten noch über die Tagesereignisse und sangen. Hubert spielte auf der Ziehharmonika dazu, wenn Karli Zeit hatte, gesellte er sich zu uns und spielte auf der Gitarre. Es war einfach eine solch wunderschöne Gemeinschaft und ein Zusammenhalt. Johannes und Thomas führten unsere Gruppe mit so viel Liebe und Begeisterung an, sodaß wir an dieser Stelle ihnen und all unseren anderen Begleitern, sowie auch Karli, nur ein ganz festes Vergelt's Gott sagen können. Wir danken ihnen, daß sie uns immer so selbstverständlich und sicher durch die wunderschöne Landschaft geführt und uns alles bildlich miterleben ließen. Esther und Hubert haben uns am Morgen immer mit Musik geweckt, was natürlich viel schöner war als mit einem herkömmlichen Wecker.

Am Dienstag ging's über die Dammwiese, teilweise getrennt, zum gebrannten Stein und Rupberg, der 886 m hoch ist. Wir trafen uns alle wieder beim Waldhaus, von wo aus wir wieder gruppenweise auf verschiedenen Wegen, lustig und froh nach Zella-Mehlis in die Herberge wanderten. Es war einfach wieder ein herrlicher Tag. Unsere Freude war perfekt, als wir nach dem Abendbrot von Johannes eine Kopie des Rennsteigliedes bekamen. Unsere Begleiter lasen es uns so oft vor, bis auch wir es konnten. Das sangen wir natürlich am nächsten Tag, als wir mit dem Bus zur Rennsteighöhe fuhren und dann den Rennsteig entlang zum Grenzadler gingen, wo wir die Schießschanze besuchten und fast die Hälfte der Treppe hinunterliefen. Dadurch konnten wir uns auch ein Bild von der tatsächlichen Höhe der Schanze machen. Wir zählten die gelaufenen Stufen. Es waren über 300. Es ging über den Kanzlersgrund zurück nach Zella-Mehlis.

Am Donnerstag gings dann mit dem Zug über Arnstadt und durch den Brandleitentunnel nach Erfurt, die Landeshauptstadt von Thüringen. Wir waren ganz begeistert davon. Wir besichtigten mit einigen unserer Gruppe, von Johannes geführt, das Kloster, in dem Luther unter den schwierigsten und härtesten Bedingungen gelebt hat. Die anderen machten mit Thomas noch einen kleinen Einkaufsbummel. Wir, die Johannes-Gruppe, übersahen fast die Zeit, weil die Klosterführung so spannend war, sodaß der Zug, der uns wieder nach Zella-Mehlis brachte, auf uns einige Minuten warten mußte. Abends nach dem Essen, überraschte uns Karli mit einem wunderschönen Heimatabend, bei dem auch Leute von der Presse anwesend waren und einen sehr netten Artikel am nächsten Tag in der Suhler Zeitung brachten. Die Überraschung mit dem Heimatabend ist Karli wirklich gelungen. Wir danken allen dafür und werden bestimmt noch lange davon reden. Am Freitag machten wir eine Wanderung in den Ortsteil Mehlis und machten einen Abstecher in das Fremdenverkehrsamt, wo wir fast alle eine Kassette von der Volkstumsgruppe kauften, die am Vorabend bei uns war. Dann gings über den Regenberg zum Domberg bis Suhl und fuhren dann mit dem Bus nach Zella-Mehlis zurück. Nach dem Abendessen gestalteten wir einen Dankgottesdienst, bei dem wir unserem Herrgott für die wunderschöne Woche dankten. Danach hatten wir dann einen sehr netten Abschiedsabend, bei dem Hermann die lustigen Ereignisse der Woche in ein Gedicht faßte. Bei netten Spielen, die sich Maria Müller, Hubert und auch Hermann ausdachten, ging auch dieser herrliche Abend zu Ende.

Es war bereits unsere 8. Wanderwoche und wir danken auch unserem Herrgott, daß er uns immer wieder solch liebe Menschen schickt, um uns so schöne Wochen erleben zu lassen.

Nach einem wehmütigen Abschied, ging es Samstag dann wieder heimwärts.

Helmut und Maria Blassnig
aus Villach (beide blind)


Abschlussgedicht

Alles startet ins Thüringer Land,
in Zella-Mehlis endet die Fahrt.
Bekannt und Unbekannt gibt sich die Hand
nach alter Sitte Art.

Die Wanderwoche hart beginnt:
Die Hälfte schlafen oben.
Und wie man grade träumend sinnt,
beginnt ein plötzliches Toben:

Der Herbert tut stukaähnlich kommen
direkt auf mich zu, laut krachend -
ich flüchte schreckhaft und schlafbenommen,
und er macht die Bauchlandung - lachend.

Brigitta hätt' es fast geschafft,
'ne neue Mode einzuführen,
doch alle ha'm sich zusammengerafft,
denn jeder will - auch spät abends dinieren!

Müllers Maria - anfangs ganz still und bescheiden -
entpuppt sich auf einmal als Laienpriester!
Die Wunderlichs, wunderlich dachten die beiden:
Was sind das vom Süden wohl alles für Biester?

Elisabeth Fasching wirkt auch erst recht still,
doch als im Gespräch fällt das Zölibat,
da hört man aber genau, was sie will,
und dann ist sie alles and're als stat!

Die Rosa, ja sie freut sich ganz ungemein,
mit Hildegard zu stürmen die Bergesbastionen
und im schönen Lande Thüringen zu sein.
- Ist es wirklich schon die letzte dieser Aktionen?

Die Heidi sagt zum Hubert Schlawiner;
und als Hermann sie unterstützt nicht faul,
da kommt sofort der prompte Parierer:
Und du, Hermann, bist ein Lästermaul!

Die Christa stellt sich als ledig vor - und alles lacht,
und jetzt denkt jeder - wenn man sie kennt und sieht,
daß rar sie sich selbst wahrscheinlich macht;
sonst wär's nicht möglich, so wie sie verhalten blüht.

Die Esther, sie läßt nicht nach und nicht locker,
und wenn es heißt "wer fährt?" - sie geht!
Sie braucht halt manchmal zwischendurch einen Hocker
- für die Puste - und damit die Stimme für's Solo steht.

Der Hermann läßt den Rucksack steh'n,
als wenn sich's eben ohne besser wander'.
Ist sein Gedächtnis wirklich schon so kleen?
- Oder bringt ihn was and'res durch'nander?

Die Elisabeth, die macht v'leicht Sachen:
Verstopft Biergläser und denkt sich nichts Böses nicht.
Der Herbert hebt's Glas - wir müssen schon lachen -
es kommt kein Bier - und dann alles ins Gesicht!

Solch derbe Scherze zeigen es deutlich,
wie Blinde mitleben, voller Humor.
Auch christlicher Geist macht uns einheitlich:
Vergebung und Liebe, sie herrschen vor.

Der Thomas hält Vorträge nachts im Flur.
Die Schläfer denken: Was ist das nur?
Bis einer ihn scheucht - samt Blassnigs Maria,
sonst stünd' er wohl heut' noch da - mit Maria!

Der Christof wird Führer zum »Gebrannten Stein«
und zerrt den Hermann hinter sich her.
Er wollt schließlich oben gewesen sein,
da galt die normale Regel nicht mehr.

Die Hedwig tat sich schier verlieben
in einen Russen - - der sagte kein Wort.
Am liebsten wäre sie dortgeblieben,
doch fühlte sie: Eine Andere steht schon dort.

Beim Konkurrenzraten ging es hoch her!
Erna, Monika - keiner war zu halten,
um geistreich und spannend sehr
den Abend mitzugestalten.

Das Aufstehen morgens? Auch wenn spät der Abend,
ist kein Problem, denn Hubert macht's möglich
durch Melodien - reich unser Erwachen labend!
Es wird uns fehlen, ab morgen, unsäglich.

Und Karli? Ihm gebührt unser aller Dank!
Still und verborgen sorgte er tagelang,
las Wünsche von Augen - und erfüllte sie später;
so sind nur noch wenige Herbergsväter!

Das Gedicht geht zuende - ich schaff' Euch nicht alle,
doch einen nehme ich noch in die Kralle!
Den Johannes - den Rechner vorm Herrn
(ich muß gesteh'n, ich seh' sowas gern) :
wie er mit Schillingen um sich schlug
und meinte, er wär' schon nicht mehr ganz klug.
Gebühren - und Linz - und hier - und nicht dort,
so ging es in einem und immerfort.
Viele Köche verderben den Brei,
so war einmal der, dann der and're dabei;
bis schließlich keiner seine Zahlung versäumte,
nur Johannes noch nachts davon träumte.


JOHANNES - Du hast in den Tagen so manchmal gedacht:
Mensch, hab ich's denn nun richtig gemacht?
Ei verbibsch, was wärn se wohl saachn
schbädr auf anderen Wanderdaachn?

Nein sag' ich - und ich sag's nicht allein:
Gelungen war's rundherum, und fein!
Dein völlig offen daliegendes Wesen
läßt jeden Fehler sofort genesen!

Und Thüringen hast Du uns nah' gebracht,
hast alles ohne Deine Frau gemacht,
hast nie zuvor solche Freizeit geseh'n -
wir können nur sagen:

Auf Wiederseh'n!

Zella-Mehlis, am 06.08.1993
Hermann