Kultur- und Wanderwoche in Brixen - Wo Fürsten, Bischöfe und auch der Papst wohnten - 2009
STADT UND LAND MIT OHR UND NASE ENTDECKT
Blindengruppe war eine Woche lang in Brixen unterwegs
"Eigentlich war jeder Tag ein Höhepunkt", sagt Hubert Rauber über die Kultur- und Wanderwoche des Blindenapostolats, die kürzlich in Brixen zu Ende gegangen ist. Der 53-jährige Vollblinde aus dem Schwarzwald war schon 26-mal bei Blindenfreizeiten dabei, hat also reiche Erfahrung. Mit seinem Humor und mit seiner Ziehharmonika hat er auch diesmal für Stimmung bei den 31 Teilnehmern gesorgt. Aus verschiedenen österreichischen Bundesländern, aus Bayern, dem Schwarzwald und sogar aus Nordrhein-Westfalen waren sie angereist, um Brixen und seine Umgebung zu entdecken. "Die Wanderung durch die Gilfenklamm und der Meditationsweg zu den Reintal-Fällen waren aber doch die eindrucksvollsten Unternehmungen" kommt Hubert Rauber dann doch zum Schluss.
Geführt und angeleitet von ihren sehenden Begleitern, erkundeten die
blinden bzw. sehbehinderten Gäste in
Brixen Dom, Kreuzgang, das Pharmazie-Museum und die Hofburg, wanderten nach
Elvas und ins Kloster Neustift, stiegen zur Klosterburg Säben auf und
genossen dann das Gass'l-Singen in Klausen. Mühsam - nicht nur nicht wegen
der Hitze - waren die Wanderungen durch die Gilfenklamm und zu den
Reintalfällen. "Aber solche Unternehmungen sind einfach eine
Herausforderung", sagt Heinz Kellner, Leiter des Blindenapostolats
St. Pölten in Niederösterreich, der die
Woche organisiert hatte. "Wenn viele von uns auch nichts sehen konnten,
Stadt und Land kann man auch durch Riechen, Spüren und vor allem Hören
entdecken."
Kellner weiter: "Dankbar sind wir für die herzliche Aufnahme im
Priesterseminar und für die offene Begegnung mit so vielen Menschen."
Bereits zur Eröffnung ihrer Woche hatte die Gruppe mit ihrem Seelsorger
Dr. Gottfried Auer in Milland die Sonntagsmesse
mitgefeiert und sich durch eine blinde Lektorin und drei Fürbittensprecher
als Mitgestalter in diesen Gottesdienst eingebracht. Beim anschließenden
Dorffest entwickelte sich dann so manches aufschlussreiches Gespräch mit
Festgästen über die Erwartungen für die Ferienwoche und die
Aufgaben des Blindenapostolats.
Heinz Kellner
Unterwegs in Brixen, der historischen Bischofsstadt in Südtirol
Unter der fachkundigen Leitung von Heinz Kellner wurden in den letzten Jahren
die österreichischen Bundesländer besucht. Heuer war Südtirol,
unser "10. Bundesland", an der Reihe.
Anfang August traf sich eine bunt gemischte Gruppe von 32 Personen in der
Bischofsstadt Brixen und residierte im Priesterseminar, wo im Vorjahr der Papst
seinen Sommerurlaub verbracht hatte. Wir wurden sehr herzlich aufgenommen und
"päpstlich" bewirtet - einmal speisten wir sogar gemeinsam mit
dem Bischof. Dafür brachten wir Leben und Schwung in das ehrwürdige
Haus. Traudl packte immer wieder ihre Mundharmonika aus, und Hubert spielte mit
seiner Ziehharmonika öfters zum Tanz auf.
Viel Abwechslung wurde in dieser Woche geboten: Vormittags Kultur, an den
Nachmittagen Wandern im Gebirge - gemeinsam meisterten wir einige
Höhenmeter. Am Sonntag durften wir einen zweisprachigen Gottesdienst -
deutsch und italienisch - in der modernen Wallfahrtskirche Zum
Hl. Josef Freinademetz, dem einzigen
Südtiroler Heiligen, im Stadtteil Miland mitgestalten.
Wir erkundeten die Stadt Brixen, das Pharmazie-Museum, die Hofburg und den Dom -
wo wir sogar auf dem exklusiven Bischofsstuhl Platz nehmen durften. Nach dem
Besuch im Kloster Neustift stärkten wir uns standesgemäß mit
Südtiroler Köstlichkeiten im urigen klostereigenen
Kellerstüberl.
An einem Abend hörten wir markante Südtiroler Sagen, die sehr
anschaulich von zwei Märchenerzählerinnen mit instrumentaler
Untermalung vorgetragen wurden.
Bei schönstem Wetter erwanderten wir die steilen Weinberge und die Umgebung
von Brixen. Die Gilfenklamm bei Sterzing mit den tosenden Wassern und steil
überhängenden Felsen war besonders beeindruckend. Der Weg führte
uns auch zum geschichtsträchtigen Felsenkloster Säben bei Klausen. Am
abendlichen Heimweg lauschten wir beim Klausener Gass'l-Singen verschiedenen
Musikgruppen aus der Region.
Höhepunkt war der Franziskusweg bei Sand in Taufers mit
Abschlussgottesdienst in einer mittelalterlichen Kapelle. Auf diesem herrlichen
Meditationsweg wurden uns die naturverbundenen Impulse des Sonnengesangs von
Franz von Assisi in individuell gestalteten Stationen anschaulich gemacht.
Liebe Besuche bekamen wir von Christl Raggl, Elfi & Franz Platter und
Mariedl Pircher. Die lauen Sommerabende genossen wir bei Eis in der Gelateria
und mit dem In-Getränk Aperol-Spritzer. Unser geselliger Florian
schlüpfte von Tag zu Tag mehr in die Rolle eines umsichtigen Barkeepers und
eröffnete unseren Abschlussabend mit Aperol als Aperitif.
Ein Ausspruch von Hubert bringt das Motto unserer Südtirolwoche auf den
Punkt: "Ins Bett neikugle kann ich mich noch lange." Wir genossen,
dass immer etwas los war.
Allen unseren sehenden TeilnehmerInnen sei herzlich gedankt. Denn ohne sie
wäre eine so wunderbare Urlaubswoche nicht realisierbar.
Wir freuen uns schon sehr, im nächsten Jahr die Heimat von Heinz,
St. Pölten, kennenlernen zu
dürfen.
Hubert R., blind und Ingrid H., sehend