Bergsteigen in Toblach / Südtirol vom 14. bis 21. September 2019
Voll Dankbarkeit, schöner neuer Eindrücke und Erinnerungen an die Südtiroler Bergwelt und an Begegnungen mit zuerst fremden, jetzt aber vertrauten lieben und interessanten Menschen sitze ich nun im Zug, der mich zurück in die bayerische Heimat bringt und denke an die vergangene Woche zurück. Letzten Samstag bin ich am späten Nachmittag bei schönstem Wetter, welches uns übrigens die gesamte Woche über erhalten blieb (!), am Bahnhof Toblach angekommen, wo ich gemeinsam mit anderen ZugfahrerInnen von Ursula und Franz, die auch die diesjährige Bergwoche wieder geleitet haben, und anderen TeilnehmerInnen in Empfang genommen wurde. Obwohl ich mit Ausnahme einer Teilnehmerin niemanden kannte, neben mir nur noch eine Teilnehmerin zum ersten Mal dabei war und man an den sehr herzlichen Begrüßungen und vertrauten Gesprächen auf Anhieb merkte, dass die anderen bereits eine eingeschworene Gemeinschaft bildeten, fühlte ich mich nicht lange fremd. Das lag an der ausnehmenden Offenheit, Unkompliziertheit und Hilfsbereitschaft, die mir von Anfang an von allen Teilnehmern entgegengebracht wurden. Teilgenommen haben dieses Jahr insgesamt 20 Personen, acht blind bzw. sehbehindert (herkunftsmäßig gerecht verteilt auf Deutschland und Österreich) und 12 sehend (zwei aus Bayern, die anderen aus Österreich). Wir haben gemeinsam sechs Bergtouren unternommen, auf denen wir jeweils zwischen 900 und 1100 Höhenmeter zurückgelegt haben (insgesamt also knapp über 6000). Die Touren verliefen teils auf Forststraßen, überwiegend aber auf schmäleren Steigen mit mal wurzligem, mal schottrigem, gerölligem, sandigem oder auch felsigem Untergrund, so dass die blinden und sehbehinderten TeilnehmerInnen meist am Rucksack hinter einem Sehenden gingen, weil sich so am besten erspüren lässt, wie der Weg verläuft, wie man die Füße zu setzen hat und wo sich Hindernisse oder Stufen befinden. Die Sehenden waren schon sehr erfahren und geübt in dieser Führtechnik und auch unsere neue Guide Lisa führte die ihr anvertrauten Blinden dank ihres Naturtalents und der zugleich knappen und umfassenden Einweisung durch Franz und Riki von Anfang an sicher über Stock und Stein. Franz ging stets voran und gab umsichtig ein gemäßigtes Tempo vor, das alle TeilnehmerInnen mitgehen konnten, so dass wir immer gemeinsam den Gipfel erreichten und unsere Freude hierüber bei einer ausgiebigen Mittagsrast und Brotzeit (= Jausn) teilen konnten. Auf jeden wird besonders geachtet und niemand wird "blöd angemacht", weil er/sie vielleicht etwas langsamer ist als andere, oder gar zurückgelassen. Als sich eine Teilnehmerin auf einer Tour nicht wohl fühlte, wurde sie von Ursula zurück ins Tal begleitet, wo sie sich am schönen Pragser Wildsee einen angenehmen Tag machen konnte. Wer mitfahren will, sollte aber jedenfalls eine durchschnittliche Kondition und bereits ein bisschen Erfahrung im Bergwandern mitbringen, da man ansonsten auf dieser Freizeit eher nicht glücklich werden dürfte.
Jede Wanderung begannen wir mit einem von einem Teilnehmer vorgetragenen Gedanken (Zitat oder Spruch), der uns auf den Weg begleitete und den jeder für sich weiterspinnen konnte. So wanderten wir mal schweigend, mal vertieft in interessante und anregende Gespräche, aber auch mal uns gegenseitig neckend dahin, bis wir den jeweiligen Gipfel erreichten, wo wir gemeinsam ein Lied sangen. Begleitet wurden wir auf unseren Touren auch mal von weit in den Weg hineinragenden Latschenkiefern, Blumen am Wegrand und dem Pfeifen der Murmeltiere. Unsere Jäger- und Sammlerinnen kamen angesichts des reichhaltigen Angebots an wunderschönen Steinen sowie Preisel- und Heidelbeeren, mit denen sie auch die TeilnehmerInnen beglückten, ebenfalls voll auf ihre Kosten. Am Zielpunkt unserer letzten Wanderung, einem kleinen Bergsee, feierten wir eine kurze Andacht, mit der wir uns für die gemeinsame Zeit und die wunderschönen Wanderungen bedankten. Benjamin, der zum dritten Mal dabei war, erhielt ein provisorisches, aus Naturmaterialien selbst gebasteltes Bergkreuz.
Ich für meinen Teil werde diese Woche in bester Erinnerung behalten und möchte mich ganz herzlich bei Franz und Ursula für die tolle und reibungslose Organisation und bei allen TeilnehmerInnen für die große Hilfsbereitschaft, die schöne Zeit und die umsichtige und zuverlässige Begleitung auf den teils schwierigen Wegen bedanken!
Annette K. (blind)