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zur Navigation Inhalt überspringen Bergsteigen in Toblach / Südtirol vom 14. bis 21. September 2024

Das erste Mal auf einer Blindenwanderfreizeit - was erwartet mich da? Werde ich der Aufgabe gerecht, Nichtsehende zu führen? Bin ich fit genug für sechs Wandertouren hintereinander? Schon mal vorweg - das alles sollte kein Problem sein. Die lieben Nichtsehenden machten mir das Führen sehr leicht und die Fitness war gerade im gemeinsamen und langsamen Gehen auch kein Problem.
Außerdem nahm mir schon die Hinfahrt, bei der ich mit meinem Auto die Annette und Birgit aus München und den Hans und den Hawar aus Innsbruck mitnahm, schon einige Unsicherheit, weil wir uns auf der Fahrt schon sehr gut verstanden und ich vorab schon einiges über die Blindenwanderfreizeit erfahren konnte.
Nach einem kleinen Problem mit der italienischen Maut sind wir rechtzeitig zum Abendessen um 18:00 Uhr im Hotel Stauder in Toblach angekommen und das bei herrlichem Wetter, wo es bei der Hinfahrt noch sehr stark geregnet hat.
Nach dem sehr guten Abendessen - das wurde von meinen Mitfahrern schon angekündigt - gab es eine kleine Kennenlernrunde: 19 neue Namen und das bei meinem schlechten Gedächtnis! Den sehr schönen Wellnessbereich mit Sauna konnten einige von uns auch nutzen und hat nach den Touren sehr gut getan...
Der Schneefall der letzten Tage sorgte bei allen Beteiligten und bestimmt am meisten bei unserem Führerpaar Ursula und Franz für Unsicherheiten bei jeder Tour - wie viel Schnee oder Eis liegt oben noch, wie sind die Wege begangen, gespurt usw. - aber besonders nach der Mitte der Freizeit war der Schnee fast weg und alles wieder gut.
Bei der ersten Tour am Sonntag auf den Kuhwiesenkopf hatte ich schon eine Nichtsehende geführt - da macht sich schon eine gewisse Nervosität breit und das Herz klopft... Aber Birgit aus Graz hat es mir wirklich sehr leicht gemacht. Meistens habe ich gar nicht gemerkt, dass da jemand an meinem Rucksack hängt. Danke dir Birgit!
Der Kuhwiesenkopf hat uns im oberen Bereich mit viel Schnee, einer gewissen Steilheit und besonders mit einem grimmig kalten Wind erwartet. Aber beim Abstieg zum Pragser Wildsee wurden wir mit viel Sonne und leichteren Wegen belohnt.
Am zweiten Tag gingen wir direkt vom Hotel los, was besonders für die Autofahrer sehr entspannt war, da wir sonst immer mit drei Autos erst mal zum Ausgangspunkt fahren mussten. Unser Ziel war der Sarlsattel. Es lag leider immer noch einiges an Schnee und besonders im oberen Drittel waren die Wege teilweise vereist. Besonders auf dem Rückweg waren wir als ganze Gruppe gefordert, dass niemand ausrutscht - aber da halfen alle mit und es wurden auch die eine oder andere Eisscholle von den Sehenden entfernt, um den Weg besonders für die Nichtsehenden gangbarer zu machen. Besonders beeindruckt mich da unser Hawar, der immer wieder irgendwelche Steinchen am Wegrand fand und auf den Weg streute, wie ein Winterdienst auf den Straßen. Ein richtiger "Wegbereiter" für uns alle - das hat mich sehr bewegt und mich auch darauf aufmerksam gemacht, auch im Leben für andere "Wegbereiter" sein zu dürfen.
Die dritte Tour führte uns Franz auf den Dürrenstein über die Plätzwiese. Dorthin fuhren wir von Toblach mit dem öffentlichen Bus, was die Anfahrt auch wieder entspannter machte. Das Wetter war super und der Schnee aufgrund der südseitigen Ausrichtung schon weniger. Hier durfte ich als Zweiter hinter einem Begleiter und Nichtsehenden hergehen. Als wir im oberen Bereich über ein kleines Schneefeld gingen und Romana im Schnee ausrutschte, konnte ich sie auffangen. Auch eine schöne Erfahrung, dass es eben auch oft auf die Menschen in der "zweiten Reihe" ankommt. Etwas, das ich auch mit nach Hause nehmen darf.
Die vierte Tour ging aufs Fellhorn im Gsiesertal. Hier durfte ich den Hans aus Innsbruck begleiten. Das Wetter war gut, der Schnee fast weg und wir hatten sehr gute Gespräche. Das Führen wird fast schon zur Routine - ich darf aber immer noch dazulernen - besonders interessant ist es da, aufmerksam zuzuhören, was die Führenden vor und hinter mir weitergeben, die schon wesentlich mehr Erfahrung haben.
Der Bösring in Osttirol meint es bei unserer fünften Tour nicht so gut mit uns - sehr steile Forstwege, die die ganze Gruppe zum langsameren Gehen zwingen und oben dann doch auch wieder Schnee und teilweise Regen und ein sehr kalter Wind. Als bei dem einen oder anderen die Kondition nachlässt bewundere ich die Führungsqualität von Franz und Ursula: Franz nimmt die Schwächsten der Gruppe ganz zu sich und geht ein sehr langsames Tempo voraus und Ursula schaut am Schluss der Gruppe, dass niemand zurückbleibt. Das hat mir sehr gefallen und zeigt, wie gut eine Gruppe unterwegs ist! Am Gipfel, als wir alle nass sind und ein kalter Wind pfeift, schlägt Ursula vor, ein Lied zu singen - "Lobet und preiset ihr Völker den HERRN", das wir sogar als Kanon ganz gut hinbekommen haben. So ein Danklied singen trotz sehr widriger Umstände - MEGA! Und auch das darf ich für mein Leben "mitnehmen"!
Die letzte Tour am Freitag führte auf einen geschichtsträchtigen Berg - den Croda d'Ancona. Hier haben wir besonders im Gipfelbereich viele Spuren vom 1. Weltkrieg gesehen - Schützengräben, Unterstände usw.... Am Gipfel hat dann die Ursula eine kleine Schlussandacht gehalten indem wir gedankt haben, dass sich die ganze Woche niemand verletzt hat und wir immer gut rauf und herunter gekommen sind. Hawar hat nach seiner dritten Teilnahme sein Edelweißkreuz bekommen. Und schließlich haben wir noch zusammen das Vaterunser gebetet. War auch irgendwie ergreifend - und mich hat da besonders der Satz "DEIN Reich komme" angesprochen. Wie wir aktuell auf dem Gipfel gesehen haben, kommen und gehen irdische Reiche - aber SEIN Reich wird kommen, das darf uns auch für unser Leben ermutigen!
Schließlich bin ich nun froh, dass ich "auserkoren" wurde, diesen Bericht zu schreiben, auch wenn ich anfangs dachte, ob ich das gut hinbekomme. Aber so habe ich mich doch nochmal besser erinnern können, was in der Woche alles passiert ist und das ist gut und wertvoll. Vielleicht gibt dieser Bericht auch allen die dabei waren aber auch allen, die nicht dabei waren, nochmal eine gute Rückschau oder einen Einblick, wie es bei einer Blindenwanderfreizeit so abläuft.
Beim Verabschieden am Freitag wusste ich sogar alle Namen ohne darüber nachzudenken - selbst den von Annette!
Die Woche war zusammenfassend eine wirklich bereichernde Zeit für mich - nicht nur die persönlichen Kontakte und die traumhaften Wanderungen. Ich hoffe auch, dass die eine oder andere Begebenheit noch in mein jetziges Leben nachwirken darf!

Liebe Grüße, Franz F., München