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zur Navigation Inhalt überspringen Briefe, Gedichte und Sprüche 1985

Heft-Titelgrafik: Händereichen
Heft-Titelgrafik: Händereichen


s/w-Grafik: 4 aufstrebende Blüten BEGEGNEN IST
ZÖGERN UND DOCH WEITERGEHEN,
AUF DEN ANDEREN ZUGEHEN,
DEN ANDEREN SEHEN, SO WIE ER IST,
DEN ANDEREN SEHEN, WIE ER SEIN KANN,
WIE ER SEIN MÖCHTE,
WIE ER IN MEINER LIEBE AUFGEHOBEN SEIN WIRD;

DAS ANTLITZ DES ANDEREN SEHEN,
DIE GESTALT DES ANDEREN WAHRNEHMEN,
DIE STIMME DES ANDEREN HÖREN,
DIE GEBÄRDEN DES ANDEREN ACHTEN.

BEGEGNEN IST ENTGEGENGEHEN,
EINANDER ANSCHAUEN,
SICH SELBST ZURÜCKLASSEN,
SICH FÜR DEN ANDEREN ÖFFNEN,
EMPFANGEN,
SICH SCHENKEN,
FRAGEN UND ANTWORTEN,
ERNST NEHMEN,
STILL WERDEN,
LACHEN, SICH FREUEN,
UMARMEN,
TRAURIG SEIN,
SICH TRÖSTEN LASSEN,
SICH DIE HAND GEBEN,
STAUNEN KÖNNEN.

BEGEGNEN IST VERSÖHNEN,
FREI WERDEN,
NEU BEGINNEN,
ZUSAMMEN EIN STÜCK WEG GEHEN,
VONEINANDER ETWAS ERWARTEN,
MITEINANDER NEUES FINDEN,
DA SEIN FÜREINANDER,
MITEINANDER VOR GOTT UND MIT GOTT LEBEN.

- ● - ● - ● - ● - ● - ● - ● -

LIEBE FREUNDE

VON UNSEREN BLINDENFREIZEITEN!

Ich grüße Euch alle, mit denen ich dies Jahr wieder beisammen sein konnte, und alle, mit denen es schon lange kein Wiedersehn gegeben hat, Euch alle, die auf geistige oder helfende Weise unsere Freizeiten begleiten.

Ich hab Euch wieder Erfreuliches zu berichten. Weil dies ohnehin im reichen Maß aufklingt im Inhalt unseres Heftes, will ich Euch gleich sagen, unter welchem Aspekt dieser Inhalt diesmal steht. Ich möchte Euren Blick lenken auf die sehenden Begleiter unserer Unternehmen.

Warum? Ich habe in den 25 Jahren meines Priesterwirkens viel Erfreuendes erhalten. Eine ganz große Freude sind mir die 15 Jahre Blindenfreizeiten geworden und dabei wieder gerade auch die Sehenden, die sich uns zugesellt haben.

Es hat sich etwas ganz Eigenartiges ergeben müssen, wie es bisher bei "Veranstaltungen" für Blinde nie notwendig war: es mußten wenigstens ebenso viele Sehende dabei sein wie Nichtsehende, daß wir unsere Ziele erreichen konnten. Allein dies Jahr waren wir wieder bei 100 Tagen mit 350 Beteiligten unterwegs vom Schifahren, Bergsteigen, Tandemfahren, Wandern, den Angeboten der Lions und Wochenenden wie zu Pfingsten in der Wildschönau und im Herbst Wilder Kaiser. Wie Blinde diese Begegnung mit den Sehenden sehen und was Sehende so erleben, sollen ihre eigenen Worte bringen:

Es war 1971 auf der Wurzeralm. Da sagte Bärbel G. am Ende der Woche: "Ich hab das nicht für möglich gehalten, daß Sehende für Blinde so selbstverständlich Kameraden werden. Ja, daß es in so kurzer Zeit eine solche Freundschaft gibt."
(Diese ist übrigens unter damaligen Teilnehmern bis heute geblieben!)

Voriges Jahr beim Wochenende im Wilden Kaiser - als ich am Abend drei in ihr Daheim begleitet habe, sagte mit Karl W.: "Wilfried, ich glaub, Du bist Dir gar nicht bewußt, was Du in unser Leben gebracht hast. Früher sind wir vom Kindergarten angefangen in die Blindenwelt hineingekommen und darin über Schule, Berufsausbildung darin geblieben - und auch danach - entweder im Blindenheim oder privat - sind wir Blinde unter uns geblieben. Mit Sehenden hatten wir nur zum Verkauf von Bürsten oder Massage zu tun. Erst diese Freizeiten haben uns die Welt zu den Sehenden aufgetan."

In der letzten Nacht bei der Liechtensteinfreizeit dieses Jahr sind - wie fast immer - einige "auf Tour" geblieben. Wir sind hinauf auf die Predaméalm. Zwischen Küh und Kalb'n sind wir unterm Sternenhimmel gesessen und haben versucht, den Mondaufgang aus einer Bergkante auch für die Nichtsehenden zu schildern. Auf dem Rückweg so um ½ 2 Uhr (früh) sagte Christof an meiner Seite: "Bei uns wird das ganze Jahr von der Integration der Blinden gesprochen, aber ich erlebe diese nur einmal im Jahr - das ist bei diesen Freizeiten." (Lest so den Bericht, den Christof mit seinem Vater und Bruder Stefan über die Archiv-eigene SeiteLiechtensteinfreizeit geschrieben haben!)

Erst jetzt im November ist ein Brief von Grilli aus Wien gekommen, aber darin ist immer noch die Begeisterung über das Erlebnis der Schifreizeit herauszuhören. (Grilli gehört zum "Willi Club", durch den schon viele Sehende zu uns gefunden haben. Willi A. ist seit der Familienfreizeit auf der Wurzeralm mit den Seinen (1972) fast jedes Jahr dabei.)
So nun sagt es der Grilli - stammelt er es oder ruft es uns zu:
"... also ich beginne am besten mit der Schiwoche. Sie war einfach super, toll, erholsam ... und, und, und ... einmalig, klasse ... etc. etc. Ich habe mich so richtig erholt. Kein Hetzen, Stressen ... es war super. Wenn ich jetzt so dran denke (öfters!) dann durchläuft es mich so richtig und mir kommt ein freudiges, erinnerndes Lächeln über mein Gesicht - so richtig entspannend ist das in allem Streß nun."

Danke Grilli! Solche Begeisterung zur Seite - das spürt jeder bis hin zum freien Aufatmen nicht "nur" durch die frische Luft in der Landschaft. Das bringt Erholung - das baut uns auf!

Von der "10 Tage Holland-Tour" klingts bei Ida H. (aus Westfalen / Münsterland) so auf: Mit Gabi A. (Linz, sehend) habe ich mich richtig angefreundet. Ebenso mit Veronika H. (Mühlviertl , sehend). Das war auch so ein lustiger Vogel. Wir haben alle viel Spaß gehabt. Dann fuhr ich die letzten Tage mit Leonhard P. Das war ganz toll - wir sind einfach schnell gefahren. Manchmal dachte ich, jetzt ist es bald aus, nun verlassen mich die Kräfte. Dann meinte er nur: "Bist noch oben?" Und ich antwortete "Ja". Wir fuhren dann ein wenig langsamer und dann meinte er wieder "Gas, Gas!" Und weiter gings in schnellem Tempo. Jetzt fehlt es mir, daß ich so gefordert werde." (Leonhard Penz hat übrigens unsere erste Freizeit dieses Jahr in Steinach / Tirol vermittelt und mit seiner Mutter, seiner Schwester Carmen und seinen Freunden durchgeführt - als unser wohl jüngster "Unternehmer"!)
Ida schreibt weiter: "Ein schönes Erlebnis war für mich, daß ich bei der Firmung von Marion dabeisein durfte. Marion saß während der Meßfeier neben mir und oft nahm sie meine Hand. Ich glaube, sie hat sich auch sehr gefreut, daß ich diesen Tag mit ihr feierte. Anschließend waren wir bei ihr zu Hause. Da war auch Deine Schwester mit Veronique und Frederic dabei." (Die Familie von Marion H. war schon dabei in der Schweiz, Wurzeralm und Böhmerwald mit junger "Verstärkung" und haben die Tandemfreizeit immer mitgestaltet. Dieses Jahr wurde sie von "Vater Franz H." als Hauptverantwortlichen durchgeführt.)

Ida sagt noch (mitten im langen Brief): "Während den Bergwochen und Tandemfreizeiten, die ich bis jetzt miterlebt habe, hatte ich manchmal das Gefühl, daß mir meine Blindheit gar nicht bewußt wurde, so wohl fühle ich mich dann!" Schaut: die Welt erschließt Ihr als Sehende!

Ich kann nicht leicht aufhören - aber ich muß zum Abschluß kommen.

Danken möchte ich noch doppelt.
Zuerst: Für die Freizeiten in diesem Jahr: den begeisternden Blinden, den Organisatoren und Leitern, den geistlichen Begleitern, den Küchenchefinnen (und Abwaschhelfern!); allen sehenden Begleitern - ob sie nun schon über ein Jahrzehnt immer wieder dabei sind oder dies Jahr mit solcher Freude bei uns angefangen haben; die uns Häuser vermittelt oder zur Verfügung gestellt haben; allen für ihre finanzielle Beteiligung - wir haben wieder positiv abgeschlossen.

Mein Dank geht aber genauso zu den stillen, oft betend - schützenden Begleitern. Keinem Blinden ist das Geringste passiert bei den vielen Kilometern und Höhenmetern.

Eine zweite "Dankesreihe" kommt zu den vielen, die bei meinem Danken für die 25 Jahre als Priester sich eingestellt haben. Mit Euren Wünschen habe ich viele Leitmotto für die nächsten 25 Jahre erhalten! Viele Gaben kamen von Euch und zur Feier in meiner Heimat waren unglaublich viele von weither gekommen. Sogar von Heidelberg und "Umgebung" waren die "Bergkreuzln" vertreten! (Für diejenigen die diese Kreuzln nicht kennen: Wenn jemand bei uns dreimal dabei war, erhält er als Dank und bleibende Erinnerung das silberne Edelweißkreuzl.)

Einem "Jubilar" möchte ich meine besondere Freude aussprechen: Unser Karl Seidl (Wien, praktisch taub-blind) ist heuer schon 25 mal dabeigewesen - meist mit seiner lieben Frau Lia. Karl, Du hast schon viele Sehende für uns aufgebaut und dazu ermutigt, einem Blinden und nahezu Gehörlosen auch auf dem Berg die Hand zu reichen. Dir, Euch beiden, möchte ich das Wort geben als Dank, das bei der staunenden Feststellung, wie die Blinden-Freizeiten international gewachsen sind, im Blindenzentrum Münsterlingen (Bodensee / Schweiz) Prälat Römer über uns sagte: "Ja, sie finden bei Euch nicht nur Steine ..."

Wie könnte es anders sein - zu meinem diesmal so vielseitigen Dank noch ein Wunsch.
Viele Kreise von Sehenden sind uns schon erschlossen worden. Eine ganz prima Gruppe ist bei uns noch zu wenig vertreten: das sind die Pfadfinder.
Wer von Euch zu diesem Zugang hat, bitte berichtet ihnen von uns, ladet sie ein. Ich werde dies ebenfalls tun.

Ich danke Euch
Euer P. Wilfried

ETWAS GANZ PERSÖNLICHES

Der Auftrag im Behindertenreferat der Diözese Linz ist für mich zum hauptamtlichen Einsatz im Allgemeinen Krankenhaus in Linz umgeändert worden.

Die Blindenseelsorge und somit die Blindenfreizeiten bleiben in meinem Auftrag.

Liebe Kameraden, bitte versteht, wenn ich nicht mehr imstande bin, zu Euch allen telefonisch zu kommen. Übernehmt Ihr die Initiative zu mir.

s/w-Grafik: aufgehende, halbe Sonne zwischen Berghügeln

s/w-Grafik: Grashalm BEGEGNUNG IST

WIE EINE BLUME, DIE SICH GERADE ÖFFNET
WIE EINE BRÜCKE
WIE EIN BOOT
WIE EIN LÄCHELN
WIE EIN REGEN NACH LANGER TROCKENHEIT
WIE DER AUFGANG DER SONNE
WIE EINE TRÖSTENDE HAND
WIE EIN LIEBENDES LÄCHELN
WIE EIN WEGWEISER FÜR DEN NÄCHSTEN SCHRITT
WIE EIN LOTTERIESPIEL
WIE EIN LICHTSTRAHL IN DER EINSAMKEIT
WIE EIN FRAGEN IN DIE ZUKUNFT
WIE EIN SCHRITT INS UNGEWISSE
WIE EIN NEUER ANFANG
WIE WELLEN, DIE AN DAS UFER SCHLAGEN
WIE DAS ZITTERN EINES GRASHALMES
WIE EIN ERQUICKENDER REGEN
WIE EIN LICHT IM DUNKEL
WIE EIN BRUNNEN IN DER WÜSTE
WIE DAS AUFMACHEN EINER TÜR
WIE EIN MEILENSTEIN IN UNSEREM LEBEN
WIE EIN LICHTSCHIMMER IN DUNKLER NACHT
WIE EIN ANKER IN HÖCHSTER NOT
WIE DER RETTENDE HAFEN
WIE EIN WEGWEISER IM IRRGARTEN
WIE EIN AUFWACHEN
WIE EIN HILFE-ERFAHREN IN DER WÜSTE
WIE EIN GROßES FRAGEZEICHEN
WIE DIE FREUDE EINES KINDES
WIE EIN TOR ZUR WELT UND ZU SICH SELBST
WIE EINE ERFRISCHUNG AN EINER QUELLE
WIE EIN REGEN AUF EINE SAAT
WIE EINE LAUE MONDNACHT
WIE EIN BLITZ AUS HEITEREM HIMMEL
WIE EIN SONNENSTRAHL AUS DUNKLEN WOLKEN
WIE EINE UNERWARTETE ÜBERRASCHUNG


AUGEN

Sehen - schauen - staunen - leuchten - suchen - weinen

Ich suche Deine Augen -
Deine Augen suchen mich -
wir können uns nur im Innersten begegnen.

Ich sehe Deine suchenden, traurigen,
unruhigen, scheuen Augen -
Ich fühle Dein frohes, offenes, feinfühlendes Herz.

Deine Augen - sie leben für mich -
sie sehen mit dem Herzen -
sie sehen viel mehr,
als ich vielleicht sehe.

Ich möchte Dir ein Lächeln schenken -
Du siehst es nicht.
Kannst Du spüren - wie weh mir ist,
wenn ich Dich anlächeln möchte?

Spürst Du es, wie weh mir ums Herz ist,
weil wir uns nicht in die Augen schauen können?

Weißt Du es trotzdem, wie gut es ist,
daß es Dich gibt -
kannst Du es spüren,
daß ich Dich mag? -

Du hörst auf meine Stimme -
Du tastest nach meinen Händen -
Deine offenen Hände - sie warten auf mich -
mein Sehen, mein Hineinlegen.

Du gehst auf mich zu -
mit Deinem Herzen -
mit der Offenheit Deiner Seele -
mit blindem Vertrauen.

Sehen - und doch so vieles nicht sehen -
blind sein - und doch ALLES sehen -

Ich möchte neu leben lernen -
mit offenen Augen,
mit einem sehenden Herzen.

Ich möchte versuchen, ALLES neu zu sehen -
ich möchte das Leben fühlen, spüren, er-leben!



ES KANN UNS MANCHMAL
DAS LACHEN VERGEHEN,
DOCH VERLERNEN DÜRFEN WIR ES NIE.

ES KANN UNS MANCHMAL
EINE SORGE DRÜCKEN,
DOCH ERDRÜCKEN LASSEN DÜRFEN WIR UNS NIE.

ES MAG UNS MANCHMAL EIN MENSCH
AUF DIE NERVEN GEHEN,
DOCH FEINDSELIG WERDEN DÜRFEN WIR NIE.

ES MAG UNS MANCHMAL DES TAGES PFLICHT
ZU EINER LAST WERDEN,
DOCH MUTLOS WERDEN DÜRFEN WIR NIE.

ES MAG UNS MANCHMAL
DAS LEBEN SINNLOS ERSCHEINEN,
DOCH GERINGSCHÄTZEN DÜRFEN WIR ES NIE.

DENN ES IST GOTTES GABE
UND SELBST DIE DUNKELSTE NACHT HAT MAL EIN ENDE:
ES WIRD IMMER WIEDER TAG!

s/w-Grafik: 4-teiliges blumiges Ornament




Fortschritt?

Früher - da hatten die Menschen:

keine Plastiktüten
keine Autos
keine Waschmaschinen
keine Pauschalreisen
keine Fernsehgeräte
keine 5-Tage-Woche
keine Papiertaschentücher
keine Wohnwagen
keine Einwegflaschen
keine Kunststoffeimer
keine Tiefkühltruhen
keine Weichspüler
keine Hochhäuser
keine Kernkraftwerke
keine Schnellreinigung
keine Flugzeuge
keine Autobahnen
keine Verkehrsampeln
keine Fertiggerichte.
  Früher - da hatten die Menschen
vieles nicht.

Aber sie hatten Zeit:
Zeit zum Beten
Zeit zum Nachdenken
Zeit zum Helfen
Zeit zum Zuhören
Zeit zum Leben
Zeit zum Trauern
Zeit zum Glücklichsein
Zeit zum Menschsein.

s/w-Grafik: Sonnenaufgang hinter Tannenhügeln


Ich bin bei euch

Inmitten von
Ängsten
Krankheiten
Demütigungen
Terrorismus
Einsamkeit
Raketen
Elend -
sein Wort:
Ich bin bei euch.
  Inmitten von
Materialismus
Hunger
Krisen
Erpressung
Ausbeutung
Brutalität
Egoismus -
sein Trost:
Ich bin bei euch.
  Inmitten von
Krieg
Bedrohung
Ungewißheit
Radikalität
Fanatismus
Katastrophen
Lieblosigkeit -
sein Versprechen:
Ich bin bei euch
alle Tage,
bis ans Ende der Welt.


s/w-Grafik: Schmetterling auf Blumenstengel


s/w-Grafik: Wellen-Ornament




Der lebendige Bergstock!

"Ich brauch Dich als Bergstock!" - lautete die Einladung an Franz. "Willst Du mich pflanzen?" - So etwa könnte das erste Gespräch über Blindenbergsteigen begonnen haben. Weißer Stock und gelbe Binde waren bekannt, persönliche Erfahrungen beschränkten sich auf gelegentliche Hilfe im Straßenverkehr.

"Möchtest Du nicht einmal einen blinden Bergkameraden zum Gipfelkreuz der Gehrnspitze führen?" - "Du spinnst wohl! Ich habe von diesen Verrückten gelesen, die bis auf die Zugspitze geraten sind; ich soll diesen Wahnsinn mitmachen?" - Der Fisch aber saß bereits an der Angel, ein langes Gespräch über die Welt der Blinden schloß sich an - seine Fertigkeit mit dem weißen Stock als Wegweiser. "Ich mach mit" - war das Ende des Gesprächs.

Aufmerksam beobachtet Franz beim ersten Hüttenabend, wie geschickt der Karl aus Wien sein Bierglas füllt - der vorsichtig an den Glasrand gelegte Finger verhindert das Überlaufen. "Was, auf dem Sonnblick warst Du auch schon?" - Franz staunt nur, als ihm Karl von schwierigen Klettersteigen in den Dolomiten erzählt. Da gibt es Dinge, die muß Karl gesehen, nein ergriffen haben.

Etwas mißtrauisch verfolgt Franz am nächsten Morgen, wie sich jeder Blinde sein Rößlein vorspannt und die ganze Bande fröhlich der Großen Schlicke zueilt. Karl aus Wien nimmt sich den Franz als Bergstock. Den Griff findet er an Franzls Rucksack oder an seiner führenden Hand. "Du brauchst Dich nicht umzusehen nach mir, ich bin schon hinter Dir. Geh Du nur ordentlich Deinen Weg, Dein Rucksack sagt mir genau, wenn Du über Wurzeln, Steine und Stufen steigst." Noch ein paar Tips, und der Karl stapft mühlos hinter Franz, seinem Bergstock, drein.

In angeregter Unterhaltung erreichen sie nach einer Stunde das Gipfelkreuz. Es wurde ein wunderschöner Bergsteigersonntag, für den Karl und seinen Bergstock.

Daß die beiden dann noch auf der Köllenspitze, Rotflüh, auf dem Schartschrofen, Aggenstein und auf der Gehrnspitze waren, sei nebenbei erwähnt.

wf.


aus: Mitteilungsheft des ÖAV, Sektion Reutte 1/84

UNSERE BERGKAMERADEN VON REUTTE

Seit 10 Jahren sind sie uns nun verbunden - und es sind schon sehr viele geworden.
Weil doch der größere Teil von unseren Freizeitlern noch nicht mit den Lions von Reutte zusammen waren - dieser Kurzbericht:

Durch die Fehlmeldung einer Zeitung: "Die Lions von Reutte nehmen sich besonders der Blinden an" kamen unsere Kontakte ins Rollen. Der damalige Präsident der Lionsgruppe, Dir. Richard Lipp, wollte sich das nicht "fälschlich" nachsagen lassen ... denn sie hatten bis dahin in ihrer Tätigkeit noch nie mit einem Blinden zu tun gehabt. Er kam uns auf die Spur.

Durch den Beginn von Dir. Richard Lipp, die Weiterführung besonders durch Dr. Reinhold Wolf, speziell auf bergsteigerischem Gebiet, sieht das "Ergebnis" von 1976 bis 1985 so aus: Worte des Dankes reichen da sowieso nicht aus.

Da sind Euch die unauslöschlichen Erlebnisse und die treuen Kameraden sicher tiefer Quell der Freude.

s/w-Grafik: Kette von Kreisen

EIN HERZLICHES DANKESCHÖN

für Eure Spenden. Es ist wieder ein schöner Betrag zusammengekommen und konnten sowohl der Druck des Heftes, wie auch die Sonderausgaben damit gedeckt werden.

Auch die Freizeiten konnten wir wieder positiv abschließen. Vom Land Oberösterreich und der Caritas der Diözese Linz haben wir wieder einen Beitrag erhalten.

s/w-Grafik: Blumenstrauß

FÜR EINIGE MINUTEN

ZU UNSERER BESINNUNG

Von unserem Bergkameraden Franz Hafner (53) in Bruck in der Steiermark haben wir uns verabschieden müssen.

Wie sich seine Familie im Licht des Glaubens an Jesus Christus bei seinem Sterben von ihm verabschiedet hat, ist uns ein echtes Lebensbeispiel geworden. Therry, seine Tochter, hat uns dies in den Gottesdienstfeiern bei den Freizeiten dieses Jahr in Bendelstein / Tirol und Liechtenstein so erzählt, daß ich sie gebeten habe, dies uns auch schriftlich für's Freizeitheft für Euch alle zu geben.
Die Mutter mit beiden blinden Töchtern Elisabeth und Therry sind ebenfalls schon Freizeitfreunde uns geworden - und sie singen und spielen sich in die Herzen aller.

Wir sind eine Familie mit sechs Kindern, davon sind schon drei von zuhause ausgezogen. Mein Vati war Schmied und die Mutti ist Hausfrau. Vati lebte immer gesund und liebte die Natur. In der Familie gab es nie größeren Streit, wir lebten immer friedlich zusammen.

Im Oktober 1984 verspürte mein Vater immer wieder Übelkeit und konnte fast nichts essen. Das Ergebnis einer Magendurchleuchtung war leichte Gastritis. Da es aber immer schlechter wurde, kam Vati im Februar 1985 ins Spital und wurde nochmals gründlich untersucht. Sie behielten ihn gleich, weil es ziemlich schlecht aussah. Im März wurde er wegen eines Magengeschwürs operiert.

Einen Tag nach der Operation erfuhren meine Mutti und meine Schwester Maria, daß Vati einen ganz großen, unheilbaren Krebs hat. Meine anderen Geschwister, außer Elisabeth, erfuhren es ziemlich bald. Vati gegenüber hatten sie strenge Schweigepflicht, solange ihm das Leben noch etwas bringt.

Nach der Entlassung aus dem Spital war Vati der festen Meinung, wieder gesund zu werden und wanderte mit mir in die Berge. Es waren schöne Zeiten für uns, denn ich wußte ja noch nichts und Vati hatte viel Zeit für mich.

Elisabeth und ich erfuhren deshalb noch nichts, weil Elisabeth krank ist und weil deshalb die Gefahr bestand, daß sie etwas weitersagen könne; und ich war gerade im Telefonistenkurs und hatte im Juni Staatsprüfung. Wenn ich das früher erfahren hätte, wäre ich sicher nicht imstande gewesen, weiterzulernen und die Prüfung zu schaffen.

Am 17. Juni war Vati schon so schwach, daß Mutti sich entschloß, ihm alles zu sagen. Der Krebs hatte schon durch die Lunge gebissen und die Füße waren so geschwollen, daß Vati nur mehr wenig gehen konnte. Mutti weintesehr viel und sagte es ihm vorsichtig. Da antwortete er: "Mutti, du brauchst nicht weinen. Der Herrgott wird schon wissen, wann die Zeit aus ist!" (Vati hatte vorher noch keine Ahnung vom Krebs. Er dachte nur, daß bei der Operation etwas schief gegangen sei, aber daß jetzt schon seine Zeit aus sein könnte, auf das wäre er nie gekommen.)

Vier Tage danach kam ich von der Schule nach Hause und Vati sagte mir, wie es mit ihm steht. Trotz des großen Schocks gab Gott uns so viel Kraft, daß wir jede Woche mit Vati eine Hausmesse feiern konnten und selbst dabei spielten und sangen. Vati war so tapfer! Er jammerte nie und war dankbar für jede Erleichterung und Hilfe, die wir ihm bieten konnten.

Eine Viertelstunde vor dem Sterben spielten und sangen Mutti und ich noch an Vatis Bett. Dann hielten wir seine Hände und beteten in Stille. Das Sterben war eine stille und ruhige Erlösung. Er zuckte nicht einmal mit dem Finger.

Mutti hat vorher alle anderen Geschwister verständigt, weil es Vati schon so schlecht ging, daß sie zu uns kommen sollten und ihm noch etwas vorspielen. Sie waren für den Abend bestellt. Wie durch eine Vorahnung kamen sie alle vorher. Zwei Minuten nach dem Sterben kam Maria und fünf Minuten nachher Anna. Wir spielten noch schnell mit Altflöte, Sopranflöte, Querflöte und Gitarre, weil wir sicher waren, daß Vati so schnell nach dem Sterben noch etwas hört. Zum Singen waren wir nicht mehr fähig.

Wir waren sofort einer Meinung, daß wir auf keinen Fall in Schwarz zum Begräbnis gehen, sondern im Dirndlkleid, wie es Vati am besten gefiel. Für die Totenmesse beim Begräbnis luden wir zwei Priester ein, die schon lange unsere Freunde sind. Mit ihnen feierten wir eine Auferstehungsmesse. Die Priester waren weiß gekleidet, und wir hatten unsere Instrumente mit und sangen Auferstehungslieder. Am Beginn sangen wir noch Vatis Lieblingslied, welches auch einen Jodler beinhaltet. Diese Kräfte, das zu schaffen, bekamen wir sicher von Oben!

Als ich später einmal bei einem Gebetskreis war, begegnete ich lieben Menschen, durch die mir Gott mit folgendem Gebet viel Freude und Kraft gab:

"Ich lasse euch nicht als Waisen zurück, ich sende euch immer wieder meinen Heiligen Geist, den Tröster, der euch aufbaut.
Ich trage euch durch die Wüste der Zeit."

Therry Hafner (blind)

UNSER GEDENKEN

In diesem Jahr haben wir uns wieder von treuen
Freunden aus unseren Freizeiten für immer
verabschieden müssen.

Der Bericht von Therry H. über den Abschied der Familie vom Vater bringt uns das Licht Christi für unser rechtes Sehen.

ROSA HÖDL (blind) war uns eine frohe Wanderkameradin in der Steiermark. Über 10 Jahre hat sie mir weiterhin treu geschrieben.

MARGARETHE HARTL (49 Jahre) hat uns viel geschenkt als gute Köchin im Rätikon, als Initiatorin der Volkstanzkurse für Blinde in Linz, im Blindenapostolat zur Gestaltung der Adventfeier und als Mitorganisatorin unseres Freizeitlertreffens 1984 in Linz. Seit sie uns kennengelernt hat, ist sie immer mit Blinden in Verbindung geblieben.
Kurz vor ihrem Sterben (im August) hat sie mir noch geschrieben:
"Vater du rate, lenke du und wende - dir in die Hände sei Anfang und Ende, sei alles gelegt. In Gedanken bin ich schon in Eurer Mitte."
Ich konnte Margarethe, ihren Eltern und Kindern als Priester zur Seite sein zu diesem harten, frühen Abschiednehmenmüssen.   Sie ist viele Monate ganz bewußt auf dieses zugegangen - in hartem Leiden, aber nicht ohne sein Licht.

Von FRANZ HAFNER haben noch manche von uns einen schönen Quarzstein daheim (bei mir liegt er hier im Spital am Schreibtisch). Diese hat uns Franz bei der Freizeit in Liechtenstein zum Dankgottesdienst beim Friedensgruß überreicht. Er war für uns ein begeisternder, sicherer Bergführer, ein ganz feiner Kamerad.

Für die Angehörigen unserer Verstorbenen darf ich es ganz versichernd sagen: Viele von Euren Freunden bei uns denken an Euch und bleiben Euch zur Seite.

EINLADUNG

Wenn in meiner Gegenwart von der Jugend gesprochen wird, kann ich immer von den Jugendlichen erzählen, die ich bei unseren Freizeiten kennenlerne. Ich habe da prächtige junge Menschen schätzen lernen dürfen.

Mit dieser Einladung hier komme ich zu Dir als Kamillianer.

Seit den Jahren, in denen wir miteinander gehn, haben viele von Euch geheiratet, haben Familie, haben die verschiedensten Berufswege eingeschlagen. Manche sind Priester geworden, haben sich einer Ordensgemeinschaft angeschlossen.

Heute lenke ich Deinen Blick auf unsere Ordensgemeinschaft der Kamillianer.
Wir sind als Pfleger oder Priester seit 400 Jahren für die Kranken im Einsatz. Seit 1934 wurde in Österreich unser Weg zu den Blinden geöffnet, seit 1965 speziell auch für Behinderte. Erst seit wenigen Jahren gibt es bei uns auch eine neue Gemeinschaft von Kamillianerschwestern. Wir haben eine vielseitige Tätigkeit für die Not, der wir begegnen - für Leidende und ihre Helfer.

1985 ist unserer Gemeinschaft von Linz das Schloß Losensteinleiten (bei Steyr) wieder das Daheim geworden.

Mit Kursen und Begegnungen für die mit uns in Verbindungstehenden soll das Haus mit Sinn und Leben erfüllt werden.

Auch diejenigen sollen dort aufgenommen werden, die sich für unsere Gemeinschaft der Kamillianer interessieren oder sich uns verbinden wollen.

Ich habe es bei den Blindenfreizeiten erlebt, wie Ihr Euch an der Gemeinschaft gefreut habt, wie Ihr die Gemeinschaft bereichert habt, wie Ihr Euch füreinander eingesetzt habt -
darum komme ich mit dieser meiner Sicht und Einladung zu Dir -
denn gerade dies ist unsere Lebensberufung.

Wenn Du Dich persönlich für uns interessierst und die Gemeinschaft der Kamillianer näher kennenlernen willst oder jemand Bekannten auf uns aufmerksam machen willst, bitte schreibe es mir oder rufe mich an.

Unser Haus in Losensteinleiten steht für Euch offen.

Ich danke Dir, daß Du Dich bei den Blindenfreizeiten uns geschenkt hast, ich danke Dir für's Lesen und das Aufnehmen meiner Einladung

Dein P. Wilfried

s/w-Grafik: Wellen-Ornament (gedreht)